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Alle reden von Elektromobilität. Dabei gibt es noch andere vielversprechende Kraftstoffe. Ein Überblick.

 

Wissenschaftler sind spätestens seit den neunziger Jahren auf der Suche nach Wegen, wie sich Erdöl ersetzen lässt. Sie haben viele Ansätze erprobt und manche wieder verworfen, denn immer ist mit einem neuen Treibstoff ein Mehraufwand damit verbunden, der die Kosten in die Höhe treibt und den Treibstoff unrentabel macht. Schliesslich hat es Millionen Jahre gedauert, bis aus Biomasse Öl oder Kohle wurde. Wer diese Verwandlung im Zeitraffer will, der muss viel Energie aufbringen.

Welcher Treibstoff hat welches Potenzial?

Stroh und Biomasse: Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erzeugt man seit 2014 Benzin aus Stroh. Das sogenannte Bioliq-Verfahren sorgt im Vergleich zu fossilen Treibstoffen für vier Fünftel weniger CO₂-Ausstoss. Neben Stroh kommt auch andere trockene Biomasse aus der Land- und Forstwirtschaft als Rohstoff infrage. Und dass der Verbrennungsmotor gerade so umstritten ist, sieht der Chemieingenieur Jörg Sauer als Chance. «Wir können mit unseren Treibstoffen aus Biomasse dazu beitragen, die Umweltbelastungen nicht nur lokal zu minimieren, sondern auch global», sagt der Sprecher des Bioliq-Projekts. Irgendwo müssen die Pflanzen für diese Biomasse jedoch wachsen. «Unser Konzept basiert auf pflanzlichen Reststoffen, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelherstellung stehen», betont Sauer und zählt auf: Holzschnitzel, Bioabfälle und Pflanzenreste, die nicht als Tierfutter taugen.

Kohlendioxid: Warum nicht das Klimagas Kohlendioxid nutzen, statt es in die Atmosphäre zu pusten? Schliesslich steckt in jedem Molekül des Gases ein Kohlenstoffatom, zusammen mit Wasserstoff lassen sich daraus Kohlenwasserstoffe erzeugen – die chemischen Bausteine von Benzin und Diesel. Aus dieser Überlegung wuchs in Dresden die Anlage der Sunfire-Ingenieure. «Das Herzstück unserer Technologie ist eine Dampfelektrolyse», erklärt Nils Aldag. Hier wird Wasserdampf unter hohem Druck durch elektrischen Strom in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Dieser Wasserstoff wird dann mit Kohlendioxid zusammengeführt, und in einer Hitze von rund 1000 Grad Celsius wird ein Kohlenmonoxid-Gasgemisch erzeugt, in weiteren Schritten entsteht daraus ein Treibstoff.

Designer-Treibstoffe: Als noch grösser gilt das Potenzial der sogenannten Designer-Treibstoffe. Sie bringen interessante Vorteile bei der Verbrennung mit sich, etwa dass von vornherein lokal deutlich weniger Schadstoffe entstehen. Feinstaub und Stickoxide – deswegen stehen Verbrennungsmotoren ja immer in der öffentlichen Kritik. Design, das bedeutet, dass Forscher ganz neue Moleküle schaffen wollen, die bei der Verbrennung zu anderen Stoffen reagieren, als fossile Treibstoffe es tun. Wissenschaftler setzen Hoffnung in den Alkohol Octanol. Durch einen höheren Sauerstoffanteil in der chemischen Verbindung von Octanol lassen sich die Schadstoffemissionen auf nahezu null reduzieren. Und als Diesel-Pendant bietet er weitere Vorteile. So hat der Stoff einen vergleichbaren Energiegehalt, und er passt in die bestehende Mineralöl-Infrastruktur, könnte also anstelle von Diesel getankt oder diesem beigemischt werden. Octanol kann auch aus Biomasse oder Kohlendioxid gewonnen werden.

E-Fuels oder auch der vielzitierte «Wunderdiesel»: Das sind künstliche Treibstoffe, die idealerweise aus erneuerbarem Strom hergestellt sein sollten. Per Elektrolyse wird aus Wasser und erneuerbarem Strom zunächst Wasserstoff erzeugt. In Verbindung mit CO2 kann dann Methan hergestellt werden – das wie Erdgas als Kraftstoff dient. Auch Flüssigtreibstoffe wie synthetisches Benzin oder Diesel sind denkbar. Die Technologie hat aber Schönheitsfehler: Bislang ist die Herstellung schlicht zu teuer, und CO2-neutral sind E-Fuels nur dann, wenn der eingesetzte Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien oder Kernenergie stammt. Wie bei batterieelektrischen Autos auch. Dennoch nehmen die Hersteller die synthetischen Treibstoffe ernst. Und sie forschen mit aller Macht. Volkswagen sieht die Technologie als «grundsätzlich zukunftsträchtig» an, wie Sprecher Peter Weisheit erklärt. «Wir beschäftigen uns intensiv damit.» Jedoch: «Es steht und fällt mit der Verfügbarkeit von regenerativem Strom», sagt er. Erst mit dem Ausbau des regenerativen Stroms sei es sinnvoll, über grosse Fabriken nachzudenken.

Wasserstoff: Durch die Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasserdampf und Wasser wird in der Brennstoffzelle elektrische Energie erzeugt. Ob im Schienenverkehr, als Flugzeugtreibstoff, für Schiffe oder im Personenverkehr, Wasserstoff wird in vielen Bereichen als grüner Treibstoff der Zukunft gesehen. In einigen Bereichen eher als in anderen, sagen Experten. Europas grösster Schienenfahrzeugbauer Alstom hat soeben einen Zug in Betrieb genommen, bei dem Wasserstofftank und Brennstoffzellenanlage auf dem Dach für einen emissionsfreien elektrischen Antrieb sorgen, auch ohne Oberleitung. In Brennstoffzellen kommt Wasserstoff seit 40 Jahren zum Einsatz und liefert unter anderem Strom und Wärme für die Bordsysteme im All. Eine Nischenanwendung für Brennstoffzellen sind heute bereits U-Boote, wo schon lange Elektrolyseure eingesetzt werden, um Sauerstoff für die Atemluft zu erzeugen. Und wie sieht es auf der Schweizer Strasse aus? Hyundai Motor und H2 Energy bringen die weltweit erst Flotte von tausend Wasserstoff-Elektro-Nutzfahrzeugen auf den Schweizer Markt. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.

Diesel: Dank modernster Reinigungstechnologie in Gestalt von Partikelfilter, NOx-Speicher und SCR-Katalysator ist Rudolf Diesels Maschine heute schadstoffärmer als der Ottomotor. Insgesamt werden 90 Prozent der Emissionen eines Dieselmotors unschädlich gemacht. Potenzial für weitere Fortschritte bietet vor allem die Feinabstimmung – zum Beispiel erhöhter Einspritzdruck, noch präzisere Abstimmung von Ladeluftkühlung sowie Ventil- und Turboladersteuerung. Auch die Vorbehandlung des Treibstoffs kann dazu beitragen: Diesel wird chemisch so aufbereitet, dass bei der Verbrennung Schadstoffe gar nicht erst entstehen. Diese Aussichten machen vor allem eines deutlich: Diesels Idee ist und bleibt genial.

Mit Ausnahme von Diesel erhalten heute die meisten Treibstoff-Alternativen keine nennenswerte Aufmerksamkeit. Das könnte sich ändern, sobald sich zeigt, wie schwierig eine Elektrifizierung ausserhalb der Ballungsgebiete oder beim Schwer- und Flugverkehr werden dürfte.

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